Ein Kommentar zur Unterschriftenaktion „die Kuh und Du“ der Welttierschutzgesellschaft.
Dr. Claudia Preuß-Ueberschär
Die Haltung von Tieren einschließlich der landwirtschaftlich genutzten Tiere ist durch das Tierschutzgesetz und zusätzlich für die sogenannten Nutztiere durch die Nutztierhaltungsverordnungen geregelt. Die Nutztierhaltungsverordnungen sind dabei als Ausführungsbestimmungen zu dem entsprechenden Gesetz zu verstehen. Sie beschreiben gesetzliche Mindestanforderungen an die Haltung von Tieren, die nicht unterschritten werden dürfen.
Leider gibt es immer noch Tierarten, für die solche Mindestanforderungen nicht formuliert und gesetzlich verankert sind. Obwohl die Milchwirtschaft einen zentralen Bereich der Landwirtschaft ausmacht und die wichtigste Einnahmequelle der deutschen Landwirtschaft darstellt, gibt es für die 4,3 Millionen Milchkühe in Deutschland bis heute keine gesetzlichen Mindeststandards.
Jährlich scheidet jede dritte Milchkuh nach nur 2,5 bis 4 Abkalbungen aus der Milchproduktion aus und wird vorzeitig geschlachtet, obwohl Rinder eine natürliche Lebenserwartung von 20 bis 25 Jahren haben und das Leistungsmaximum bei ihnen erst in der 3. bzw. 4. Laktation erreicht ist. Ursache dafür sind hauptsächlich sogenannte Produktionskrankheiten wie Fruchtbarkeitsstörungen, Euter- und Klauenerkrankungen, Stoffwechselstörungen und Labmagenverlagerungen. Produktionskrankheiten entstehen durch Zucht auf einseitige Höchstleistung, nicht artgerechte Fütterung, nicht tiergerechte Haltungsbedingungen und unzureichendes Management.
Die Welttierschutzgesellschaft hat diesen Sachverhalt mit dem Projekt „die Kuh und Du“ publik gemacht und sowohl Informationsmaterial als auch Lehrmaterial für Schulen erarbeitet und leistet damit gezielte Aufklärungsarbeit.
Die „Kuh und Du“ fordert vom Gesetzgeber, den Bedürfnissen und dem Sozialverhalten der Tiere Rechnung zu tragen und eine entsprechende Nutztierhaltungsverordnung für Kühe einzuführen. Diese muss laut Welttierschutzgesellschaft konkrete Haltungsvorgaben enthalten wie z.B. das Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung. Es sollte Auslauf im Freien vorgeschrieben werden sowie tierbezogene Indikatoren, mit Hilfe derer die Tiergesundheit eindeutiger beurteilbar wird. Außerdem müssen Sachkundenachweise für Tierhalter verpflichtend vorgeschrieben werden.
Mit einer Unterschriftenkampagne in Form einer Online-Petition wurden insgesamt 243.293 Unterschriften für die Einführung einer Nutztierhaltungsverordnung für Milchkühe gesammelt und der Bundesregierung vertreten durch Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth, übergeben (Link zur Petitionsübergabe hier). Obwohl Frau Dr. Flachsbarth durch die hohe Zahl der Unterschriften überrascht schien, hat eine knappe Viertelmillion Unterschriften doch nicht so weit beeindruckt, dass die Bundesregierung daraus einen Handlungsbedarf ableiten würde. Frau Flachsbarth (bzw. die Bundesregierung) setzt weiterhin auf freiwillige Vereinbarungen und lehnt eine verbindliche Verordnung ab.
Als Begründung wird von Dr. Flachsbarth angegeben, dass die Landwirtschaft und ganz besonders die milchproduzierenden Betriebe schwierige Zeiten durchlebt hätten, man die Landwirte nun nicht vergessen dürfe und sie bei allen Maßnahmen „mitnehmen“ müsse.
Eine Argumentation, die niemand, der sich mit Landwirtschaft und den entsprechenden Problemen beschäftigt, ernst nehmen kann. Gerade jetzt zeigt sich das Ergebnis der Politik von Union und Bauernverband, nämlich dass in diesem Jahr (2016) 5,6 Prozent der Milchbetriebe weggebrochen sind. Trotz oder gerade wegen fehlender Reglementierungen, ist es zu diesem Strukturbruch gekommen. Die Vogel-Strauß Politik von Bundesagrarminister Schmidt hat diese Entwicklung in unverantwortlicher Weise verschärft. Mangelnde Handlungsbereitschaft des BMEL bringt nicht nur die Landwirte in Existenz bedrohende Situationen, sondern verursacht auch millionenfaches Tierleid.
Anstatt auf tiermedizinisches Wissen und auf den gesunden Menschenverstand zu hören und die Landwirtschaft in eine zukunftsfähige Richtung zu führen, bei der Tierwohl und Klasse statt Masse das Credo sein müsste, hört die Regierung auf die Wünsche der Agrarlobby, die immer wieder Billigpreise, Wachstum und Export als Lösung der Probleme präsentiert – gerade die Politik, die in die Misere geführt hat.