Ferkelkastration – warum der 4te Weg ein Irrweg ist

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Auf der Suche nach weiteren Alternativen zur Verhinderung des „Schweinegeruchs“ bei Eberfleisch kam zum wiederholten Male der Vorschlag auf, Schweine allein unter örtlicher Betäubung/lokaler Anästhesie zu kastrieren, analog zum Vorgehen bei z. B. Rindern. Sogar in der Humanmedizin finden Sterilisationen, (die Durchtrennung der Samenstränge) unter lokaler Anästhesie statt, warum also nicht auch bei Schweinen, könnte man denken? Aus welchen Gründen das ein Trugschluss ist, der auf z. T. gezielter(?) Fehlinformation basiert, erklärt  Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V. in dieser Stellungnahme.

Die anatomischen Gegebenheiten von Hoden und Samensträngen sind bei Ferkeln noch sehr klein. Eine differenzierte Manipulation während der Injektion eines Lokalanästhetikums ist rein technisch schwierig, denn der Samenstrang ist bei unter sieben Tage alten Schweinen im Ggs. zu anderen Tierarten mit einem hängenden Skrotum/Hodensack wie z. B. Rindern fast nicht separat tast- und darstellbar.

Daraus resultiert ein zwangsweise falsches Vorgehen, indem die örtliche Betäubung in den Hoden selbst anstatt in den Samenstrang injiziert wird. Der Hoden ist aber von einer Kapselhaut umgeben, die sich kaum dehnen kann und durch die Injektion des Lokalanästheticums entsteht ein starker Druckanstieg im Hoden. Dadurch ist dieses Vorgehen sehr schmerzhaft und nach guter veterinärmedizinischer Praxis nur unter Vollnarkose durchführbar. Die richtige Methode, also die Injektion in den Samenstrang und zusätzlich in die Schnittstelle am Skrotum kann von Tierärztinnen und Tierärzten nur unter guten technischen Bedingungen erbracht werden, nicht jedoch unter Praxisbedingungen im Stall. Außerdem sind für die ausreichende lokale Anästhesie in der Summe 4 Injektionen erforderlich.  Allein schon aus diesen Gründen kann es keine Aufgabe sein, die man an Landwirte delegiert. Eine weitere publizierte Variante ist die alleinige Anästhesie der Skrotumhaut, weil hier die meisten Schmerzrezeptoren sitzen. Dann aber ist eine Betäubung des Samenstranges nicht gegeben, was de facto wieder eine Kastration ohne Betäubung gleichkommt.

Solange das richtige Gewebe getroffen wird ist das für Schweine zugelassene Lokalanästhetikum  Procain fast schmerzlos injizierbar.  Die angedachte Anwendung von Lidocain muss diesbezüglich  kritisch hinterfragt werden.

Aus unserer Sicht ist die Kastration männlicher Ferkel unter alleiniger, unvollständiger und deshalb schmerzhafter  Lokalanästhesie  ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Vor dem Analogieschluss zur Humanmedizin warnen wir. Nur Vasektomien finden unter örtlicher Betäubung statt. Die Herausnahme eines Hodens, also die Kastration, findet stets in Vollnarkose statt.

Warum dieser sog. „4. Weg in der Ferkelkastration“ von der Agrarbranche und ihrem Minister Schmidt favorisiert wird ist klar: die Immunokastration ist zu teuer, die Betäubung der Ferkel durch Tierärzte ebenfalls, die Ebermast aufwendig und zudem wird diese von den Schlachtbetrieben gedeckelt. Da erscheint die Lokalanästhesie und ihre Durchführung durch die Landwirte selbst ein günstiger Ausweg. Man ignoriert jedoch die Tatsache, dass nur über die Wirkung auf das Bewusstsein (Betäubung) in Kombination mit Analgetika über den Zeitraum des anhaltenden Wundschmerzes (mehrere Tage) eine ausreichende Schmerzhemmung zu erzielen ist. Rechtlich ist eine Betäubung durch den Landwirt bei geltender Gesetzeslage jedoch nicht möglich. Der 4.Weg ist also de facto ein nicht gangbarer Irrweg!

An diesem Beispiel zeigt sich wieder einmal, dass die politische Forderung nach schmerzfreier, gleichzeitig kostengünstiger Ferkelkastration, die zudem auch noch Verbraucherakzeptanz findet, nicht erfüllbar ist.

Wann wird die Branche endlich einsehen, dass man diese Massen billigen Schweinefleisches nicht erzeugen kann, ohne die Tiere zu quälen, Gesetze zu missachten (TierSchG) und die Kosten für die verursachten Umweltschäden der Allgemeinheit aufzudrücken?

TfvL e.V. fordert die Reduzierung der Schweineproduktion auf ein Maß, in dem alle Schweine, ohne dass ihnen routinemäßig ihre körperliche Unversehrtheit genommen wird, ein ihren Bedürfnissen gemäßes Leben führen können. Wann endlich sorgt die Bundesregierung für die dazu erforderlichen Rahmenbedingungen und verlässt ihren fatalen, ideologiegetriebenen Kurs der wettbewerbsorientierten Schweineproduktion für den Weltmarkt?