Pressemitteilung zum Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration

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Die betäubungslose Kastration aller unter 7 Tage alten, zur Mast bestimmten männlichen Ferkel ohne Betäubung ist gängige Praxis im Schweinestall.

Diese Maßnahme betrifft in Deutschland mehr als 25 Millionen Ferkel pro Jahr.

Grund für die Kastration ist, dass Verbraucher hierzulande den Geschmack und Geruch, den das Fleisch von einigen Ebern durch Hormone und Ebergeruchsstoffe annehmen kann, nicht akzeptieren.

Zwar darf laut Tierschutzgesetz ein schmerzhafter Eingriff bei einem Wirbeltier nicht ohne Betäubung durchgeführt werden, das Gesetz lässt jedoch als Ausnahme zu, Ferkel bis zu ihrem 7. Lebenstag ohne Betäubung zu kastrieren.

Diese Ausnahme endet mit dem Ende des Jahres 2019. Der Verzicht auf dieses höchst schmerzhafte, leidvolle Procedere ist längst überfällig und sollte in unserer Gesellschaft selbstverständlich sein.

Wie immer, geht es lediglich um die Kosten. Der Handel möchte billig erzeugtes Fleisch. Landwirte sind gezwungen, „Produktions-Kosten“ zu sparen. Leider stellen deshalb die geplanten Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration keine wirkliche Verbesserung für die Tiere dar. Über folgende Methoden wird derzeit diskutiert:

  1. Kastration unter Narkose und Schmerzausschaltung
  2. Jungebermast mit pharmakolog. Unterdrückung der Hodenfunktion und damit des Ebergeruchs (Immunokastration),
  3. Jungebermast ohne Kastration und damit ohne Behandlung gegen den Ebergeruch.

 

Zu 1.:
Die Anwendung von Betäubungsmitteln obliegt per Gesetz ausschließlich Tierärzten. Wir halten es für verantwortungslos, Tierhaltern Betäubungsmittel für den Eigengebrauch zu überlassen. Auch die Durchführung von Operationen sind jetzt und in Zukunft Sache eines Tierarztes! Wer es ernst meint mit dem Tierschutz, darf daran nicht rütteln. Die Risiken für die Ferkel entsprechen denen einer jeden Vollnarkose und Operation. Mit den derzeit zur Verfügung stehenden Betäubungs- und Schmerzmitteln kann eine ausreichende intraoperative Analgesie unter Stallbedingungen allerdings nicht garantiert werden.

Zu 2.:
Die Immunokastration besteht aus 2maliger Injektion während der Mastphase mit einer Substanz (synthethisch verändertes GnRH*-Analogon), welche die Hodenfunktion unterdrückt. In mehreren Ländern wird diese Methode angewandt, innerhalb der EU gab es lange Zeit Bedenken gegenüber diesem Präparat. Die Injektionen, im Alter von ca. 8 Wochen sowie 4-6 Wochen vor der Schlachtung, verursachen den Tieren Stress, v.a. beim Handling zum Zeitpunkt der Endmast, aber keine bisher nachweisbaren Rückstände im Fleisch. Nebenwirkungen des Medikaments auf das Wohlbefinden der Tiere durch Veränderungen im Hormonhaushalt sind durchaus vorstellbar aber bis dato nicht untersucht.

Zu 3.:
Die reine Ebermast ist unter den momentan verbreiteten Haltungsbedingungen als tierschutzrelevant abzulehnen.
Ebermast erfordert spezielle Anforderungen an Gruppenzusammensetzung,-größe, Platzangebot, Bodenbeschaffenheit, Beschäftigung und Fütterung. Studien zeigen, dass sich unter stressfreien u. hygienischen Haltungs- und Schlachtbedingungen auch der sog. Ebergeruch reduziert. Dennoch bleibt die reine Ebermast eine unnatürliche Haltungsform und sollte auch unter optimierten Bedingungen nur eine vorübergehende Alternative sein.

Grundsätzlich ist für die Schweinehaltung generell (egal ob männlich oder weiblich, Zuchtsau oder Mastschwein) zu fordern, dass endlich die Haltungsbedingungen den Bedürfnissen der Tiere anpasst werden! Dazu gehören ausreichendes Platzangebot, Haltung in stabil zusammengesetzten, kleinen Gruppen, vielseitige Umweltreize, Beschäftigungs- und Wühlmöglichkeiten, strukturiertes und artgerechtes Futter sowie angemessene Betreuung (Mangement).

Die chirurgische Kastration unter Narkose und Schmerzausschaltung sowie die Immunokastration sind lediglich weitere Versuche, die Tiere den jetzigen, nicht tiergerechten Lebensverhältnissen anzupassen und sollten nicht mehr als eine kurzfristige Übergangslösung sein.

Eine wirkliche Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration können nur tiergerechte Haltungssysteme in ökologischer Landwirtschaft sein. Grundvoraussetzung dafür ist eine erhebliche Reduktion der Tierzahlen. Ein staatliches Label muss für die korrekte Kennzeichnung von Fleisch nach ihren tatsächlichen Lebensbedingungen garantieren.

Die industrielle Tierproduktion richtet großen Schaden an. Auf Kosten von Natur und Umwelt und Gesundheit werden weit mehr Tiere erzeugt, als wir es für normale Verzehrsgewohnheiten brauchen. Für ,billiges‘ Fleisch bezahlen wir viel Geld, denn mit unseren Steuern subventionieren wir diese völlig aus dem Ruder gelaufene Tierproduktion und bezahlen die Reparatur der Umweltschäden, während die Fleischindustrie und der Handel viel Geld verdient. Tiergerechte und ökologische Landwirtschaft kommt ohne zootechnische Maßnahmen** aus und verzichtet weitgehend auf Chemie.

Nur die Alternative der tiergerechten und ökologischen Landwirtschaft mit erheblich reduzierten Tierzahlen kann Menschen, Tieren und Umwelt nützen und ist zukunftsfähig.

* GnRH = Gonadotropin Releasing Hormon, ein Hormon, das im Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns) gebildet wird und bewirkt, dass andere Hormone, die Gonadotropine (Sexualhormone, die die Keimdrüsen steuern) freigesetzt werden.

** zootechnische Maßnahmen = Sammelbegriff für Eingriffe, die an Tieren durchgeführt werden, um Tiere an Ihre Haltungsbedingungen anzupassen (z.B. Kürzen der Schwänze und Abschleifen der Eckzähnen beim Schwein, Entfernen der Hörner beim Rind etc.)