Stellungnahme der Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V. (TfvL) zur Initiative der Animal Welfare Foundation und des Deutschen Tierschutzbundes

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Freiwilliger Verzicht

auf den Einsatz des Stutenbluthormons Pregnant Mare Serum Gonadotropin (PMSG)/ Equine Chorionic Gonadotropin (eCG)

 

Stellungnahme der Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V. (TfvL) zur Initiative der Animal Welfare Foundation und des Deutschen Tierschutzbundes

Seit 2017 setzt sich unser Verein TfvL gegen die tierschutzwidrige Gewinnung des Hormons PMSG/eCG aus tragenden Stuten und den hiesigen Einsatz – vornehmlich als Präparat zur Brunststimulation, -synchronisation und Superovulation bei Sauen –  ein. Im Jahr zuvor waren schockierende Filmdokumentationen über den gewalttätigen Umgang mit diesen tragenden Stuten an die Öffentlichkeit gelangt.

Es wurde sichtbar, dass in Südamerika die meist wild lebenden Pferde, die den Umgang mit Menschen nicht gewohnt sind, systematisch geprügelt und mit Gewalt in Zwangshaltungen gebracht werden, um ihnen wöchentlich mit großvolumigen Kanülen viel zu große Mengen von Blut aus der Halsvene zu entnehmen. Nach 130 Tagen wird bei den Mutterstuten durch Einritzen ihrer Gebärmutter ein Abort der Fohlen provoziert, weil die gebildete Hormonmenge bei fortgeschrittener Trächtigkeit für eine gewinnbringende Produktion von PMSG etc. nicht ausreichend ist. Dabei wird neben dem  Abort der Fohlen auch der Tod der Mutterstuten billigend in Kauf genommen.

Nach der Veröffentlichung der Tierquälereien stellten zwei von vier Pharmaunternehmen in der BRD ihre Produktion von Pregnant Mare Serum Gonadotropin, PMSG ein.  MSD und die Impfstoffwerke Dessau (unterdessen Ceva Tiergesundheit)  verarbeiten  die Hormone weiterhin.

Die Herkunftsländer der „Rohstoffe“ haben sich inzwischen geändert, die tierschutzwidrige Behandlung der Stuten während der Blutentnahme für die PMSG-Gewinnung offenbar nicht, wie u.a. die Reportage Plusminus in der ARD am 26. Januar 2022  zutage brachte. Jetzt steht Island im Fokus. Statt eines Verzichts auf den Einsatz – es stünden Alternativen zur Verfügung  – setzen Sauenhalter und Tierärzte in Deutschland weiterhin auf den Einsatz von PMSG. Das Serumwerk Bernburg wirbt Anfang 2022 unter anderem im Deutschen Tierärzteblatt mit einer mehrseitigen Anzeige für ein neues PMSG-Präparat namens Fixplan.

Bei der Diskussion um die Problematik von PMSG sprachen sich 2017 die Verantwortlichen des bpt (Bundesverband der praktizierenden Tierärzte) gegen jegliche Anwendungsbeschränkungen von PMSG in der Ferkelproduktion aus. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Tierärzt:innen und Nutztierhalter:innen setzen die Hormone weiterhin ein.

Lediglich in der biologischen Landwirtschaft ist der Einsatz der Hormone untersagt. Neben Rindern, Schafen, Kaninchen und anderen Tierarten wird ca. jedes dritte Zuchtschwein in Deutschland mit PMSG gespritzt. Ein derart hoher Einsatz belegt, dass das Präparat nicht tiermedizinisch indiziert im Sinne der Behandlung eines krankhaften Befundes (z.B. dem Ausbleiben der Brunst) eines Einzeltieres, angewendet wird, sondern flächendeckend, um die Schweinezucht zu optimieren und rentabler zu machen.  Der Einsatz dient der Taktung der agrarindustriellen Ferkelproduktion, angefangen mit der gleichzeitigen Auslösung der Brunst bei Sauen. Die Tiere können damit exakt kalkuliert besamt werden, so dass sich der Geburtszeitpunkt auch großer Tiergruppen genau vorausplanen lässt. Große Ferkelgruppen können so gleichzeitig abgesetzt und umgestallt werden und erreichen damit wie von der nachgeschalteten Industrie gewünscht, zur gleichen Zeit das Schlachtalter. Kurz, es geht um Arbeitszyklogramme, um Spezialisierung und Steigerung der Effizienz.

Gleichzeitig steigert das Präparat durch Auslösung einer Superovulation die Anzahl der Ferkel pro Geburt. Dies verspricht Arbeitserleichterung und höhere Gewinne, führt aber zur Geburt überzähliger, untergewichtiger, lebensschwacher Ferkel. Diese Ferkel kann die Sau aus anatomischen und physiologischen Gründen nicht alle aufziehen. Entweder sie sterben von selbst –  man lässt sie bewusst sterben ohne sie zu versorgen –  oder sie werden getötet. Für die Muttertiere verkürzen sich die Erholungsphasen zwischen den Trächtigkeiten und die Ferkel werden viel zu früh von den Muttertieren getrennt. Das trägt zu einem anhaltenden, systemimmanenten Leiden der Ferkel und Sauen bei.

Ein höherer Aufwand bei der Anwendung von Alternativen darf keine Ausrede dafür sein, weiterhin die mit großem Tierleid verbundenen PMSG-/eCG-Präparate einzusetzen.

Während Landwirtschaftsvertretungen und Tierärzt:innen in der Schweiz schon 2016 empfahlen, solange keine PMSG-haltigen Präparate einzusetzen, bis die tierquälerischen Bedingungen abgestellt seien, hielten sich Tierärzt: innen und Landwirtschaftsverbände  in Deutschland zurück.

Auch aktuell sind die Schweizer wegweisend: Meinrad Pfister, Präsident des Schweizer Schweinezuchtverband  Suisseporcs, hat angekündigt, das Hormonpräparat in der Schweinezucht verbieten lassen zu wollen. „Man erwarte keine Probleme, aber einen Mehraufwand“. Gefragt sind insbesondere die Tierärzt:innen, wie und was sie empfehlen, um die Nachteile bei einem Umstieg auf andere Produktionsmethoden aufzufangen.

TfvL empfiehlt, betriebsangepasste Lösungen zusammen mit den bestandsbetreuenden Tierärzt:innen zu erarbeiten. Ein „weiter so wie bisher“ ist aus Tierschutzsicht abzulehnen.

Leidtragende der PMSG-/eCG-Gewinnung und des Einsatzes sind neben den tragenden Stuten insbesondere Sauen und Ferkel. Besinnen wir uns darauf, dass wir als Tierärzte einzig und allein dem Wohl und der Gesundheit der Tiere verpflichtet sind und nicht der Effizienzsteigerung und Gewinnmaximierung einer agrarindustriellen Tierhaltung. Keine Tierärztin, kein Tierarzt, der die Berufsordnung achtet und den Ethikkodex der Tierärzte ernst nimmt, kann die Anwendung eines solchen Präparats weiter betreiben.

Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V. (TfvL) unterstützen vollumfänglich die Forderungen der Animal Welfare Foundation und des Deutschen Tierschutzbundes:

  • Verzicht auf den Einsatz von PMSG/eCG -Präparaten in Deutschland und der EU.
  • Verzicht auf den Import von PMSG/eCG-Präparaten und der Rohstoffe, aus denen diese gewonnen werden, aus Drittländern.
  • TfvL teilt die Einschätzung, dass es sich bei der Gewinnung in Deutschland um einen rechtswidrigen, nicht genehmigungsfähigen Tierversuch handelt.
  • Insbesondere die beigebrachten Stellungnahmen von Barandun u. Isenbügel, Schäffer und Ogorek (Anhänge 1 -3) sind aus tierschutzfachlicher und -rechtlicher Sicht vollumfänglich zutreffend und werden von TfvL unterstützt.
  • Die Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft appellieren sehr eindringlich an ihren Berufsstand sowie an die Schweinezüchter und Bauernverbände auf den Einsatz von PMSG-/eCG-haltigen Präparaten gänzlich und öffentlich erklärt, zu verzichten.
  • TfvL fordert die Bundesregierung auf, schnellstmöglich die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Importverbot zu schaffen und sich auch auf EU-Ebene für einen Verzicht dieser tierschutzrelevanten Vorgehensweise einzusetzen.

 

 

Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e. V.

Der Vorstand

Dr. Claudia Preuß-Ueberschär

Dr. Jochen Weins

Dr. Henning von Lützow

Dr. Julia Pfeiffer-Schilling

Karl Pfizenmaier