Rechtsgutachten zur Frage der Vereinbarkeit der Haltungsvorgaben für Mastschweine mit dem Tierschutzgesetz – ein Kommentar

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Das von Greenpeace e.V. in Auftrag gegebene Rechtsgutachten ( http://gpurl.de/OdYLU ) bringt es auf den Punkt, woran der Schutz für Mastschweine scheitert und warum es rechtlich zulässig ist, zentrale Interessen der Tiere aus ökonomischen Gründen zu missachten.

Der Inhalt der Tierschutznutztierhaltungsverordnung, der sich auf Schweine bezieht, ist nicht in Übereinstimmung mit dem Tierschutzgesetz zu bringen –  das ist das Fazit dieses Gutachtens. Die Verordnung konkretisiert nicht das Gesetz, so wie es ihre Funktion wäre, sie unterläuft es, indem die Vorschriften für Schweinehalter und Haltungsform der Tiere weit unter dem Anspruch des Tierschutzgesetzes liegen. Art.80GG verlangt jedoch, dass die Inhalte der Verordnung im Gesetz dargelegt sein müssen. Das war zum Zeitpunkt der Entstehung der VO nicht und ist bis heute nicht der Fall.

Diese Tatsache ist so offensichtlich, dass man sich fragt, warum nicht schon längst auf diesen Rechtsbruch hingewiesen und  keine Klage dagegen angestrengt wurde, obwohl doch der schon lange schwelende gesellschaftliche Konflikt um die landwirtschaftliche Tierhaltung hier seine Ursache hat. Landwirte verstehen nicht, wieso sie öffentlich an den Pranger gestellt werden, obwohl sie doch ihre Tiere „legal“, genauer „verordnungsgemäß“  halten. Und die Öffentlichkeit kann die Logik eines staatlichen Tierschutzes nicht nachvollziehen, in dem trotz Tierschutzgesetz eine qualvolle Tierhaltung rechtlich möglich ist.

Durch rechtlich festgelegte Mindestanforderungen an die Haltung ist der Staat in der Lage, den verbreiteten Standard in der Tierhaltung zu bestimmen. Entsprechend ist dieser Bereich von politischen Interessenlagern umkämpft und ein wichtiger Bereich der Agrarpolitik. Es fällt aber unweigerlich auf, dass die Resultate dieser Politik, also die jetzige konkrete Lebenssituation landwirtschaftlich genutzter Tiere in Deutschland, in weiten Teilen der Bevölkerung auf Ablehnung und Empörung stoßen, obwohl es sich nicht um illegale Tierhaltung handelt.  Umso wichtiger ist daher die Frage nach der demokratischen Legitimation der Verordnungsregelungen über Mindestanforderungen. Denn rechtliche Konkretisierungen auf dem Verordnungsweg erfordern eine durch gesellschaftlichen Konsens gestützte objektive, unumstrittene Anleitung für das exekutive Handeln. Sie müssen sich auch gegen Minderheitsmeinungen argumentativ durchsetzen können.

Es stellt sich weiter die Frage, wieso Gesetzgeber (Parlament) und Verordnungsgeber (Bundeslandwirtschaftsministerium) gänzlich unterschiedliche Einflüsse auf die Rechtsmaterie ausüben konnten und warum überhaupt ein Ministerium, das erklärtermaßen die Tiernutzerfraktion vertritt, als Verordnungsgeber fungieren konnte.

Es bleibt zu hoffen, dass über den Weg der Normenkontrollklage eine Klärung der Sachlage erfolgt. Und es bleibt ebenfalls zu hoffen, dass im Zuge der juristischen Aufarbeitung die Einsicht wächst, dass es keine realen Fortschritte im Tierschutz geben wird, solange dieser Bereich beim Landwirtschaftsministerium angesiedelt bleibt.

Und aus tierärztlicher Sicht? Tierärzte haben in der Tat nur einen begrenzten Einfluss auf die Lebenssituation der „Nutz“tiere. Sie können und müssen kontrollieren, ob die Mastschweinehaltung verordnungsgemäß ist. Sie können bis hin zum Tierhaltungsverbot reglementieren und sanktionieren, wenn z.B. gegen die TierSchNutzVO verstoßen wird, wenn die hygienischen Verhältnisse zu wünschen übriglassen oder wenn kranke Tiere nicht fachgerecht behandelt werden.

Sie können aber nicht anordnen, den Spaltenboden abzuschaffen oder den Schweinen Wühlmaterial zur Verfügung zu stellen, um essentielle Bedürfnisse zu befriedigen. Sie können nicht grundsätzlich, sondern eher marginal die Lebensbedingungen der Tiere verbessern.

Tierärzte, Hoftierärzte, Amtstierärzte und Standesvertreter, hätten aber schon lange und öffentlich auf die Rechtswidrigkeit einer Tierschutznutztierhaltungsverordnung hinweisen müssen, die den Tieren eine verhaltensgerechte Unterbringung nach TierSchG verwehrt. Ihnen müsste das von Greenpeace vorgestellte Rechtsgutachten Wasser auf ihre Mühlen sein.

Alle Tierärzte sind an ihre Berufsordnung gebunden, nach der sie aufgrund ihrer fachlichen Qualitäten in besonderer Weise für den Schutz der Tiere berufen sind, und sie haben sich in ihrem Ethikkodex dazu verpflichtet, die Interessen der Tiere zu vertreten und Missstände aufzuzeigen. Diesen Anspruch gilt es endlich umzusetzen!

Zum am 3.Mai veröffentlichten Rechtsgutachten schweigen Bundestierärztekammer und tierärztliche Verbände jedoch bis heute.

 

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